Abstract
Natur und Geschlecht in Jurij Kochs Wišnina / Der Kirschbaum (1984). Ansätze zur Analyse von Grundzügen der narrativen Welterzeugung in der neueren sorbischen Erzählliteratur
Im sorbischen Imaginären sind Mythen allgegenwärtig: von den bekannten sorbischen Sagenfiguren bis hin zur slawischen Götterwelt oder der antiken Überlieferung nehmen sorbische Erzähltexte immer wieder auf Mythen Bezug, wenn sie ihren eigenen literarischen Weltentwurf generieren. Anhand einer Analyse von Jurij Kochs Novelle Wišnina / Der Kirschbaum (1984) untersucht der Aufsatz diese literarische Funktionalisierung des Mythos in Verbindung mit der Frage nach der narrativen Aushandlung von Mensch-Natur-Beziehungen und Geschlechterverhältnissen. Denn im Erzählen von und mit Mythen, so die These, konstruieren sorbische Texte nicht nur sorbische Selbstbilder und Eigen-Fremd-Unterscheidungen, sondern zugleich auch Vorstellungen der Natur im Verhältnis zum Sorbischen sowie von ‚Natürlichkeit‘, Männlichkeit und Weiblichkeit. Mit analytischem Fokus auf Mythos, Natur und Geschlecht als prägende und miteinander verwobene Dimensionen sorbischer narrativer Welterzeugung wird Jurij Kochs Novelle als ein Narrativ lesbar, in dessen Zentrum die Stabilisierung eines auf mythisch begründeter Beheimatung, Naturnähe und tradierten Geschlechtervorstellungen basierenden sorbischen Selbstverständnisses steht.

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